Adventszeit 2023

Advent

Johann Christian Günther

1695-1723

Verzeiht, ihr warmen Frühlingstage,

Ihr seid zwar schön, doch nicht vor mich.

Der Sommer macht mir heiße Plage,

Die Herbstluft ist veränderlich;

Drum stimmt die Liebe mit mir ein:

 

Der Winter soll mein Frühling sein.


Der Winter zeigt an seinen Gaben

Die Schätze gütiger Natur,

Er kann mit Most und Äpfeln laben,

Er stärkt den Leib und hilft der Kur,

Er bricht die Raserei der Pest

Und dient zu Amors Jubelfest.

Die Zärtlichkeit der süßen Liebe

Erwählt vor andern diese Zeit;

Der Zunder innerlicher Triebe

Verlacht des Frostes Grausamkeit;

Das Morgenrot bricht später an,

 Damit man länger küssen kann.

Der Schönen in den Armen liegen,

Wenn draußen Nord und Regen pfeift,

Macht so ein inniglich Vergnügen,

Dergleichen niemand recht begreift,

Er habe denn mit mir gefühlt,

Wie sanfte sich's im Finstern spielt.

Da ringen die getreuen Armen

Mit Eintracht und Ergötzligkeit,

Da lassen sie den Pfiehl erwarmen,

Den oft ein falsches Dach beschneit,

Da streiten sie mit Kuss und Biss

Und wünschen lange Finsternüß.

Der Knaster schmeckt bei kaltem Wetter

Noch halb so kräftig und so rein,

Die Jagd ergötzt der Erden Götter

Und bringt im Schnee mehr Vorteil ein,

Der freien Künste Ruhm und Preis

Erhebt sich durch den Winterfleiß

Das Eis beweist den Hoffnungsspiegel,

Der viel entwirft und leicht zerfällt;

Ich küsse den gefrornen Riegel,

Der mir Amanden vorenthält,

So oft mein Spiel ein Ständchen bringt

Und Sait' und Flöte schärfer klingt.


Euch Brüder hätt ich bald vergessen,

Euch, die ihr nebst der deutschen Treu

Mit mir viel Nächte durch gesessen;

Sagt, ob wo etwas Bessres sei,

Als hier bei Pfeifen und Kamin

Die Welt mitsamt den Grillen fliehn.

Ich zieh den Mond- und Sternenschimmer

Dem angenehmsten Tage vor;

Da heb ich oft aus meinem Zimmer

Haupt, Augen, Herz und Geist empor,

Da findet mein Verwundern kaum

 In diesem weiten Raume Raum.

Der Winter bleibt der Kern vom Jahre,

Im Winter bin ich munter dran,

Der Winter ist ein Bild der Bahre

Und lehrt mich leben, weil ich kann;

Ihr Spötter redet mir nicht ein;

 Der Winter soll mein Frühling sein.


<